Sprechen – wir tun es jeden Tag. Beim Bäcker, auf der Arbeit, mit Freunden und der Familie. Es gehört selbstverständlich zum Alltag dazu – und dann gibt es Menschen, die dafür bezahlt werden. Unerhört! Oder eben oft gehört: In Werbung und Hörbuch, in Film und für Fernsehserien, in Videospielen und im Radio. Und vielleicht hast du schon öfter den Satz gesagt bekommen: „Du hast eine so tolle Stimme, du kannst das doch auch!“ – Ja, aber wo fängt man an?
Zu dieser Frage haben wir Profisprecher Mario Hassert exklusiv einen ganzen Tag lang begleitet:
Jeder kann Sprecher werden. Sprachliches Talent kann dabei helfen, ist aber keine absolute Voraussetzung. Von jetzt auf gleich ist aber noch niemand zum Profisprecher geworden. Es ist ein Beruf, in dem man ausgebildet wird und lernen muss. Wer Profi werden will, muss üben.
Was du von dir aus mitbringen musst, ist:
- Fleiß: ohne regelmäßiges und häufiges Üben wirst du nicht zum Profi
- Durchhaltevermögen: selbst wenn du schnell lernen und schnell gut sprechen kannst – ehe die ersten lukrativeren Jobs kommen, dauert es eine Weile. Nur wer dranbleibt, kann Erfolg haben.
- Leidenschaft zur Sprache: du musst lieben, was du tust. Die Konkurrenz ist groß. Deine Motivation, Sprecher zu werden, darf nicht nur durchs Geldverdienen motiviert sein. Durchhaltevermögen erreichst du nur durch eine starke innere Motivation a.k.a. Leidenschaft. Die Sache an sich muss dir Spaß machen.
Die wichtigste formale Grundvoraussetzung, um Sprecher zu werden, ist:
- Dialektfreies Sprechen: das dialektfreie Hochdeutsch ist die Sprache, die im Synchron, in Werbung und Hörbuch gefordert ist. Jeder von uns spricht Dialekt, die einen mehr, die anderen weniger. Für Menschen aus Sachsen oder Bayern ist es schwieriger, den Dialekt loszuwerden. Sie sprechen sehr weit hinten im Rachen. Für Menschen aus dem Norden oder dem Raum Hannover ist es einfacher. Sie sprechen generell weiter vorn im Mundraum und sind so viel näher am dialektfreien Hochdeutsch. Hier kannst du dir einen Eindruck verschaffen, wie das Sprechen eigentlich funktioniert. Wenn man unerfahren ist, ist es irre schwer sich selbst einzuschätzen: Such dir einen Logopäden, der deine Sprache einschätzt und der ein bis zweimal die Woche mit dir übt, um den Dialekt weg zu trainieren. Darüber hinaus musst du natürlich selbst jeden Tag üben, mindestens ein halbes Stündchen. Wie bereits gesagt: Fleiß, Durchhaltevermögen und Leidenschat sind nötig.
Wo du dich ausbilden lassen kannst:
Der Sprecherberuf ist kein „klassischer“ Ausbildungsberuf in dem Sinne, dass es kein staatlich anerkanntes Ausbildungszertifikat gibt. Es gibt allerdings zahlreiche hervorragende private Sprecherschulen. Dort einen Wochenendkurs zu belegen ist eine ideale Möglichkeit, um herauszufinden, ob der Sprecherberuf in der Praxis auch wirklich etwas für dich ist. Wir haben in einem unserer letzten Ratgeberbeiträge zum Thema „Wie wird man Sprecher“ die wichtigsten davon gelistet. Die Kosten für Seminare musst du natürlich aus eigener Tasche zahlen. Unter gewissen Umständen ist es jedoch möglich, sich Kursgebühren durch Bildungsgutscheine bezuschussen zu lassen (Infos darüber bei der Sprecher-Akademie)
An deine ersten richtigen Jobs kommst du meist durch ein Casting. Natürlich sind Vorerfahrungen immer hilfreich: die kannst du in den erwähnten Seminaren an Sprecherschulen sammeln. Aber es ist auch wichtig, sich abseits dessen umzuschauen, vor allem wenn du neu im Geschäft bist. Filmhochschulen suchen oft Sprecher für Animationsfilme oder andere Projekte. Dort gibt es meist kein Geld, aber du kannst Erfahrungen sammeln und dein Portfolio aufstocken. Sei umtriebig. Gelegenheiten bieten sich nur, wenn man aktiv nach ihnen sucht!
Aber zurück zum Casting. Die Kurzversion: Du machst kurze Demoaufnahmen deiner Stimme – am besten in einem professionellen Tonstudio - und schickst diese mit einer Vita, einem Portraitfoto und einem kurzen Anschrieben per Mail an Agenturen und Produktionsstudios. Halte dein Anschreiben kurz und sachlich. Agenturen und Produktionsstudios bekommen zahlreiche Anfragen und haben nicht viel Zeit, halbe Romane zu lesen. Eine kurze Empfehlung von erfahrenen Kollegen kann helfen, im Sinne von „Sprecher XY hat mir empfohlen, mich bei euch vorzustellen“. Vermeide dabei, die Studios direkt anzurufen und nachzufragen, ob deine Files angekommen sind. Täglich bekommen sie dutzende ungefragt eingesandte Bewerbungen. Hier gilt meist: wer nervt, verliert. Wenn die Qualität deiner Sprachfiles überzeugen, ist das schon die halbe Miete. Du wirst bei Gefallen potenziellen Kunden bei einem Casting angeboten und wenn dann das Quäntchen Glück dabei ist, kommst du so zu deinem ersten Job.
Zum Thema Casting gibt es in unserem Blogbeitrag "Sprechercasting" mehr Infos. Wenn du wissen möchtest, wie du dich als Sprecher optimal vermarktest, dann lies in unserem Beitrag zu "Sprechermarketing" nach.
Wie du ohne ein professionelles Tonstudio zu guten Demoaufnahmen deiner Stimme kommst und wie diese aussehen müssen, darüber haben wir ausführlich in diesem Beitrag "Sprachaufnahme verbessern" gesprochen.
Kommen Wir nun zu den verschiedenen Aufgabenfeldern des Sprechers:
Werbung sprechen ist eine vergleichsweise einfache Aufgabe. Um Werbetexte gut einsprechen zu können, musst du aber den Duktus der Marketingsprache verstehen und umsetzen können. So werden jegliche Füllwörter entfernt und der Werbetext extrem eingekürzt. Übrig bleibt ein Text, der fast nur noch aus Adjektiven, Substantiven und Adverbien bzw. Aufforderungen wie „Jetzt“ oder „Nur noch“ oder „Sparen Sie“ besteht.
In der Radiowerbung begegnet uns täglich so eine Sprache. Hier ein Beispiel:
Wie du hören kannst, wird weit mehr als nur ein Wort eines Satzes betont. Niemand spricht im wirklichen Leben so. Es entsteht eine gesprochene Werbesprache, die vollkommen unnatürlich ist. Das ist vor allem der teuren Werbezeit geschuldet: in dieser Weise werden so effizient wie möglich die relevanten Informationen mitgeteilt.
Was euch als professioneller Werbesprecher in diesem Berufsfeld alles erwartet, könnt ihr in unserem ausführlichen Beitrag über Werbesprecher nachlesen.
Verschiedene Genres bedeuten also eine unterschiedliche Sprache. Wenn du professionell auf vielen Gebieten als Sprecher arbeiten willst, solltest du sie beherrschen. Zahlreiche Tipps rund um das Sprechen und die Stimme findest du hier.
Imagefilme beschäftigen sich detaillierter mit einem Produkt oder stellen ein Unternehmen genauer vor. Auch der Name 'Erklärfilm' wird oft verwendet. – Erklärfilme sind meist animierte Kurzfilme darüber, wie Dienstleistungen oder Produkte funktionieren oder angewendet werden. Die Einsprechhaltung ist bei allen diesen Filmen entspannter als in der Werbung. Wenn du als Werbesprecher erfolgreich gebucht wirst, ist der Schritt hin zu Image- oder Erklärfilmen nicht weit. Es werden zwar einzelne Betonungen gesetzt, aber nicht so stark unnatürlich wie in der Werbung. Wie ihr Texte richtig zum Leben erwecken könnt, seht ihr hier. Fast immer steht das Bild im Vordergrund, die Sprache begleitet. Ein Imagefilm stellt im Gegensatz zur Werbesprache dennoch eine etwas höhere Schwierigkeitsstufe dar. Man muss sich nicht nur auf seinen Text konzentrieren, sondern auch die Zeitanforderung beachten. Der Timecode des Films gibt das jeweilige Zeitfenster für den Text vor. So sieht ein Text mit Timecodes aus.
Hier siehst du ein Beispiel für einen Imagefilm:
Synchronsprechen stellt die höchste Anforderung an einen Sprecher dar. Viele erfolgreiche und bekannte Synchronsprecher – und so gut wie alle Sprecher der älteren Riege, wie Manfred Lehmann, Christian Brückner, Irina von Bentheim oder Karin Buchholz – kommen vom Schauspiel und bringen von Haus aus viele verschiedene Sprech-Nuancen mit und besitzen ein großes Einfühlungsvermögen.
Formal sind beim Synchron viele verschiedene Faktoren zu beachten. So gibt es auch hier ein knallhartes Timing, das vom Film vorgegeben ist. Der Text muss nicht nur zeitlich ins Raster passen, sondern auch noch möglichst lippensynchron gesprochen werden. Wenn der Originalsprecher eine Pause macht, musst du das als Synchronsprecher auch tun – ist ja klar. Das Synchronbuch muss diesem Umstand Rechnung tragen und die Texte so ins Deutsche übersetzen, dass nicht nur der Sinn erhalten bleibt, sondern auch die Zeit eingehalten wird. Die emotionale Komponente muss schließlich vom Synchronsprecher – also von dir – in den Text hineingelegt werden.
Ist der Schauspieler traurig, geschockt, zornig, aggressiv, verletzt oder nachdenklich, so musst du als Synchronsprecher dies wiedergeben und glaubhaft machen. Für eine gute Synchronisation ist es zwingend notwendig, dass man sich emotional auf seine Rolle einstellen kann und mitempfindet. Hier ein kleiner Einblick in das Thema Stimmung und Stimme.
In unserem Blog-Beitrag zum Thema "Synchronsprecher werden" gibt es noch mehr Infos für euch. Außerdem haben wir dort auch eine Reihe von Synchronfirmen verlinkt, bei denen ihr euch direkt bewerben könnt. Beachtet aber dabei unsere Hinweise weiter oben unter dem Punkt "Wie du an Sprecherjobs kommst". Mail schreiben, Sprachproben rein, fertig.
Wie du dich NICHT bewerben solltest, kannst du hier hören:
Computerspiele brauchen immer mehr Sprachanteile. Sie übertreffen bei weitem die Sprachanteile für einen Großteil der Spielfilme. Für das Spiel Fallout 4 wurden z. B. über 111.000 Zeilen Text eingesprochen.
Oft wird bei Videospielen immer mehr synchronisiert, da viele Spiele immer filmischer werden und viele Szenen enthalten, die es mit großen Kino- oder gar Hollywoodproduktionen aufnehmen können. Hier ist auch immer mehr Lippen-Synchronität gefragt.
Aber auch abseits der Zwischensequenzen muss der Sprecher bei Computerspielen fast immer mehrere verschiedene Aufgaben erfüllen. Gerade bei grafisch aufwendigen Spielen, die aus der dritten Person gespielt werden, müssen alle möglichen Handlungen des Helden mit Lauten und Worten besprochen werden. Und damit es sich nicht wie aus der Konserve anhört, müssen für gleiche Aktionen verschiedene Takes gemacht werden.
Was bei der Lokalisierung von Computerspielen noch wichtig ist, haben wir in diesem separaten Blogbeitrag "Lokalisierung von Computerspielen".
Hier gibt es interessante Einblicke in die Synchronisation des Spiels "Witcher 3: Wild Hunt":
Gerade wenn du als Sprecher am Beginn deiner Karriere stehst, hast du meist noch kein eigenes Tonstudio. Aber auf lange Sicht kann es sinnvoll sein – wenn auch kein Muss - sich als Profisprecher eins einzurichten. Für Kunden und Agenturen bist du umso attraktiver, wenn sie für dich als Sprecher nicht noch zusätzlich Studiozeit buchen und bezahlen müssen. Wenn du dich auf Synchron spezialisierst, spielt ein eigenes Studio allerdings keine Rolle.
Wie Sprechen vor dem Mikrofon funktionierst, lernst du ja bereits in den Seminaren der Sprecherschulen. Wie du dir ein Studio einrichtest, und vor allem womit, haben wir in diesem Blogbeitrag zum Thema „Eigenes Homestudio“ bereits ausführlich besprochen.
Es muss aber nicht immer superprofessionell sein. Für viele Aufnahmen - gerade zu Beginn der eigenen Sprecherkarriere - gibt es auch Möglichkeiten für den kleinen Geldbeutel. Wir haben einmal probiert, wie man trotz kleinem Budget und Räumen, die sich eigentlich nicht zur Sprachaufnahme eignen, von zu Hause aus gute Soundergebnisse erzielt. Wie das funktioniert, haben wir euch im Beitrag "Sprachaufnahme verbessern - Raumklang optimieren" zusammengestellt. Gerade für Beginner, die den Einstieg in die Branche suchen, lohnt sich das in jedem Fall.
Wie du siehst sind die Aufgabenfelder eines Profisprechers zahlreich und stecken voller Abwechslung. Aber der Weg dorthin ist auch kein Zuckerschlecken. Neben Leidenschaft und Fleiß musst du viel Ausdauer und Hartnäckigkeit mitbringen. Falls du Dialekt sprichst, musst du in sehr klares und sauberes Hochdeutsch wechseln können. Früher oder später solltest du als Profi allen Anforderungen der verschiedenen Aufgabenfelder gewachsen sein. Keine Angst – jeder hat mal klein angefangen. Finde für dich selbst heraus, was dich am Beruf des Sprechers fasziniert und welche Aufgabenfelder dir gefallen und Spaß bereiten. Dieser Beitrag hat dir einen breiten Überblick verschafft. Jetzt bist du dran: Hast du das Zeug zum Sprecher?
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Ja genau, den Film hat doch der Typ ohne Haare synchronisiert oder war das der Andere? Wenn Sie´s wüssten würden Sie das hier vielleicht gar nicht lesen! Hier bekommen Sie ein Blick hinter die Kulissen, Hintergrundinfos und Synchroninterviews mit bekannten Synchronsprechern und Stimmen.